“Alles andere ist Firlefanz!” – Lelle und Nikolas (Teil 1)

Im November 2023 hatte ich die aufregenden Weine von Lelle und Nikolas erwähnt, die ich bei der VNDIMA 23 verkostet hatte, nun darf ich das Paar kennen lernen bzw. Nikolas wiedertreffen und im Laufe des Vormittages mich dem annähern, was ihre Weine so einzigartig macht.

Es ist schon beeindruckend, wenn du jemandem die Zahlen, die Farben und die ersten Konjugationen auf Deutsch beigebracht hast und 10 Jahre später hält dir dann dieser Ex-Schüler einen Vortrag über Rebschnitt auf Deutsch mit Fachausdrücken, die du selbst noch nie gehört hast.

Hier seht ihr Nikolas Juretic vor dem Monte Quarin in Cormons (aber nicht vor seinen Weinbergen, das sind die des Nachbarn):

Nikolas und Lena-Maria Julier, kurz Lelle, führen mich hinter das Elternhaus von Nikolas vor einen Malvasiarebstock aus dem Jahr 1950. Ein junger Hupfer im Vergleich zu anderen bis zu 100-jährigen Rebstöcken im Besitz der Familie. Warum werden diese Rebstöcke so alt und bleiben so fruchtbar? Die Basis ist der sanfte Rebschnitt und natürlich viele andere Faktoren, die ich in diesem Artikel versuchen werde zu beschreiben. Simonit & Sirch haben die Methode des sanften Rebschnitts entwickelt und sie in die ganze Welt gebracht. Lelle und Nikolas sind beide Experten dieser Methode und haben viele Weinbauern beraten. 2013 hatte Nikolas bei Simonit & Sirk angefangen zu arbeiten, ab 2016 war er für Deutschland und Österreich verantwortlich und im Jahr 2018 hat er seinen ersten Wein gemacht. Nikolas war bis vor 2 Monaten noch fix angestellt bei dem Rebschnittunternehmen und hat sich nun aber für einen Expertenvertrag entschieden, der ihm nun bedeutend mehr Zeit lässt für seine Familie und seine Weine, die großen Anklang finden in der Welt der Naturweine.

Ein Rebstock muss beschnitten werden, das ist klar. Ohne Schnitt wäre das Haus daneben in zwei Jahren zugewachsen. Die Weinrebe gehört zu den Lianengewächsen und hat das Ziel, ihre Samen möglichst weit weg von der Pflanze zu bekommen. Wir verfolgen eine Fruchtrute dieses starken Malvasiaweinstocks…sie ist zehn Meter lang. Das “Herz” (meine Assoziation), das Nikolas hier auf dem Foto mit den Händen umfasst, ist nicht so abgestutzt, wie wir es oft sehen, nicht voller Schnittwunden. Die Kraft verteilt sich…aber nicht jeder Rebstock hat so viel Potenz, es gibt auch schwache und vor jedem Rebstock wird entschieden, wie er behandelt werden muss. Individuell.

Es ist Anfang März und Nikolas wird am Nachmittag Rebschnitt betreiben, zu einer Zeit, in der die großen Weingüter schon lange damit fertig sein müssen, da viele schon die Weißweine abfüllen. Lelle erklärt mir, dass es gut sei, einen kurzen Zeitabschnitt zwischen Rebschnitt und Austreiben der Pflanze zu haben, die Schnittwunde werden dann nicht so tief. Und der Laubschnitt? Wenn andere mit dem Traktor durchfahren, um zu entblättern? Laubschnitt gibt es nicht, denn das stresst die Pflanze, das ganze Gleichgewicht der Pflanzenhormone wird durcheinander gebracht. Und somit auch der Rebstock, was Jahr für Jahr und auf die Dauer schwächt. Aber das “Jäten”, das Ausbrechen der jungen Triebe ist essentiell, da sonst eben der “Busch” entsteht, der Blätterwald, der dann auch bei nassem Wetter Pilzen und anderen Rebkrankheiten Boden bereiten kann. Das heißt, das 80-90 Prozent der Arbeit für einen guten Wein im Weinberg zu leisten ist!

“Alles andere ist Firlefanz!”, ruft Lelle.

Das manuelle Ausbrechen kann ich mir natürlich bei 10/20/30 ha Rebfläche nicht leisten. Die Weine von Nikolas – denn bisher sind es seine Weine, Lelle hat ihre Weine in Deutschland – entstehen auf 3 ha, die vor allem aus kleinen Parzellen bestehen, die sein Vater schon immer bewirtschaftet hat, aber selbst keinen Wein produziert hatte. Nikolas Vater hatte seine Trauben immer an Privatleute verkauft. Diese 3 Hektar setzen sich so zusammen: 0,8 ha in Pradis und 1,2 ha auf dem Monte Quarin (auf der Rückseite, die Seite Richtung Slowenien) und 1 ha in San Floriano. Diese Parzellen haben alle einen “gemischten Satz”, also zum Beispiel Malvsia, Ribolla und Tocai friulano bunt zusammen, wie es in Italien bis 1963 gang und gäbe war, bis dann die ersten DOC entstanden sind, für die dann auch ausgerissen wurde, um zum Beispiel Chardonnay- oder Pinot Grigio-Moden nachzukommen.

Hier eine weniger kraftstrotzende Pflanze mit nur einer Fruchtrute.

Die Kraftverteilung unseres kraftvollen Malvasiaweinstocks.

Welche Vorteile hat nun ein gemischter Satz? Nun, für den Weinbauer war er eine Risikominimierung, denn sollte eine Rebsorte von Rebkrankheiten befallen werden oder unter Trockenheit leiden, konnten sich die anderen Rebsorten retten.

Zurück zur Flaschenabfüllung. Wann macht die denn Nikolas? Im Juli! Oder sogar in der ersten Augustwoche, denn da ist es ruhig im Weinberg, die Gärprozesse sind definitiv abgeschlossen und die Fässer muss man nur säubern (und nicht wässern, um das Austrocknen zu vermeiden), bevor sie schon bald die frisch gelesenen Trauben des neuen Jahrgangs empfangen können. Die Spontangärung kann dann gut starten.

Als Lelle und Nikolas meinen, wir könnten nun Richtung Weinkeller aufbrechen, entdecke ich Salatpflanzen zwischen den Rebzeilen. Elena Orzan (siehe auch meinen Artikel aus dem November), die Mutter von Nikolas, hatte hier Gemüse gepflanzt. Wenn ich sozusagen einen Gemüsegaten zwischen den Zeilen habe, brauche ich noch weniger mähen. “Ja, und das Unkraut?”, frage ich. Lelle sagt: “Es gibt kein Unkraut! Das sind alles Bodendecker.” Ich habe noch viel zu lernen, denke ich mir…Gemäht wird also selten, denn viele Pflanzen brauchen Zeit, um ihr Samen zu entwickeln und so Biodiversität zu garantieren.

Die beiden arbeiten mit Kupfer und Schwefel und mit biodynamischen Präparaten (“500”, “501”, Pflanzentees…). Ihr Traum ist es, auch Tiere im Weinberg zu haben, wie es die Biodynamie vorsieht. Nikolas liebt Esel, die hätte er gerne wieder für seine Kinder, wie er sie in seiner Kindheit hatte. Eine Kindheit, die er da oben auf dem Monte Quarin verbracht hatte.

Lelle und Nikolas: Es ist wohl entschieden, dass sie in Italien bleiben werden, obwohl sie auch immer wieder in der Pfalz sein werden, wo die Familie von Lelle ein Weingut hat, auf dem sie aufgewachsen ist und ihre Weine macht. Die Handarbeit im Weinberg macht sie weiterhin, die Weinlese kann sie nicht immer verfolgen, wenn sie gleichzeitig in Italien im Gange ist.

Wir machen uns auf zum Weinkeller…im zweiten Teil geht’s weiter…

MEDANA: VNDIMA 23

Das erste Mal in Medana (Slowenien): Das Weinlesefest VNDIMA!

Medana liegt im BRDA-Gebiet, das Schwesterngebiet des COLLIO auf der slowenischen Seite.

23.Oktober 2023: Es ist noch warm und es herrscht gute Stimmung. Im Freien bei den Buden, wo man einheimischen Käse, Prosciutto und Brotspezialitäten verkosten kann. Elektronische Musik und kurzärmlige Verkostungsfreudige.

Die Winzer sind in einem Keller und in einem großen Saal untergebracht. Die Luft ist schwül: Ich bin mit meiner Vespa gekommen und muss mich erstmal akklimatisieren. Der erste Schluck eines knackigen Sauvignon von Werlitsch aus der Steiermark hilft mir.

Ich lächle Menschen an, denen ich auf früheren Weinveranstaltungen schon begegnet war, einige lächeln zurück, andere gucken etwas iritiert. Ich wechsle ein paar Worte mit Kristian Keber und Sasa Radikon, koste mich kreuz und quer herum, genieße die ehrlichen Noten von Naturweinen und merke, dass ich weniger aufnahmefähig werde. Das, obwohl ich auch “spucke”, was ich früher immer unglaublich schade fand- doch ich will ja nicht später mit der Vespa im Graben landen…

Doch dann schenkt mir Alexis Paraschos seinen Lieblingswein ein: KAI!

Mein Gaumen öffnet sich wieder in Andacht und ich sehe eine lichterfüllte Kathedrale vor mir- wie ich sie in Sizilien bewundert habe. “Callmewine” nennt Kai einen dreidimensionalen Wein. 100 Prozent Friulano, bewunderswerte Klasse mit leichtem Tanninakzent.Frucht von ganz alten Rebstöcken.

Elena Orzan – diese lebendige, charmante Weinexpertin hat einmal die Enoteca von Cormons geleitet. Wir hatten uns kennen gelernt, da ich ihrem Sohn Nikolas Deutschunterricht gegeben hatte…Letzten Sommer hatte ich dann das Etikett seiner Weine in Grado im Restaurant Cardamomo bewundert. Heute verkoste ich das erste Mal seine Weine. Neu. Jung. Anders. Sind seine Zementfaesser das Geheimnis? Seine Ausbildung in Deutschland?

Und Lelle Wine? Lelles Wein. Der Lelle ihrer. Und Lelle ist dem Nikolaus seine. Wow! Meine Synapsen werden angeregt. Ein aufregendes Paar.

Wenn ihr genau hinschaut, seht ihr auf dem zweiten Foto, dass sogar ihr Nachwuchs auf gewisse Weise mit dabei war.

Sonnenunterergang bewundern, Helm aufsetzen und auf geht’s!

Was ist da passiert?

UNTERTITEL: “Ohje! Und nochmal Glück gehabt!”

Ende 2017 musste ich mein Domain “Frau im Friaul” verlängern.

Da ich bei dem Anbieter noch andere Serviceleistungen beziehe und “gschlampert” war, wurde nur ein Teil bezahlt und ………schwupp,  war kein Blog mehr da.

My fault. Colpa mia. So ein Schmarrn!

Glücklicherweise hatte ein Freund, der mir früher mit dem Blog geholfen hat, ein Backup gemacht, aber nur bis Ende 2016. 2017 ist futsch (das war nicht so viel, aber tut doch weh)

Aber schlussendlich war’s doch Glück im Unglück, oder nicht?

 

Stanko Radikon

Hier in Piuma (Gorizia) wurde gestern Stanko Radikon beigesetzt. Einer der Großen hier. Zweifellos. Ich hatte das Glück mehrmals einige Stunden in seinem Weinkeller und in seiner Küche mit ihm und seiner Familie zu verbringen. Stanko, danke, dein freier Geist wird uns weiterhin begleiten und anspornen, nicht in der Mittelmäßigkeit zu versumpfen!

Piuma_Stanko

Danke

Es gibt Lebensumstände, die zu Energiemangel führen. Produktivität gibt es dann nur bei mir, wenn sie gefordert wird. Überschüssige Energie existiert in solchen Zeiten nicht. In solchen Zeiten fragt man/frau sich auch, ob so ein Blog jetzt auch noch sein muss.

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken:

Bei den gar nicht so wenigen Menschen, die meinen Blog verfolgen, bei denen, die mir schöne Kommentare geschrieben haben und besonders bei denen, die mir privat geschrieben haben – wie ein Bayer vom Chiemsee und ein Südtiroler Winzer. Solcher Zuspruch tut gut und ist wichtig.

Und dann kommt wieder der Tag, wo ein wenig Energie übrig bleibt und wieder Schreiblust entsteht…………