In meinem ersten Artikel über Fiegl habe ich angesprochen, dass meine Kollegen die Weinproduzenten von Oslavia als “Wilde” bezeichnet haben. Wahrscheinlich ist ein Grund für diese angebliche “Wildheit” die grausame Vergangenheit des schönen Hügels Oslavia.
Vielleicht versteht jemand in diesem Zusammenhang nicht die Überschrift “Wie versüße ich mir den Winter?”. Doch für mich ist “versüßen” auch: Studieren, Lesen, Zusammenhänge verstehen.
Im Folgenden übernehme ich zusammenfassend Inhalte aus dem – schon zitierten Buch – “The invisible part of wine” (von der Associazione Produttori Ribolla di Oslavia mit dem Seminario Permanente Luigi Veronelli, Edizioni Transmedia 2011), das in diesem Jahr auch auf Deutsch/Französisch erscheinen soll.
Oslavia war vor fast 100 Jahren einer der Hauptkriegsschauplätze des 1. Weltkrieges. Auf dem Foto sieht man links oben einen großen, weißen Zylinder, das ist die Gedenkstätte von Oslavia.
(Das tolle Foto ist von hier.)
Die Bodenzusammensetzung, die so fruchtbar für den Wein hier ist, war Oslavias Ruin im 1. Weltkrieg: Der Boden war leider perfekt, um Schützengräben zu errichten. Hier kämpften in einem jahrelangen, erbitterten Stellungskrieg die Soldaten der österreichisch-ungarischen und der italienischen Front gegeneinander.
Tot war nach dem Ende des Krieges auch der Hügel von Oslavia: Alles weg: Menschen, Häuser, sogar die Wurzeln der Bäume.Übrig war: Ein Hügel, gelb von Schwefel und pulverisiertem Stein, der tatsächlich einen Höhenmeter verloren hatte.
Hier wurde ein Stück Mitteleuropa zerstört, das Milan Kundera so beschreibt: “Mitteleuropa ist nicht ein Staat. Es ist eine Kultur oder ein Schicksal. Seine Grenzen sind immaginär ……”
(Foto von wikipedia)
Die Einwohner von Oslavia mussten sich ihre Identität rekonstruieren, den Faden ihrer Geschichte wieder aufnehmen und ihre zerrissenen Erinnerungen wieder zusammenflicken.
Ihre Welt hatte eine Umkehr erlitten. Vor dem Krieg waren sie treue Untertanen der k u k -Monarchie gewesen. Sie waren Teil eines riesigen Vielvölkerstaates gewesen, in dem viele verschiedene Volksgruppen auf relativ friedliche und fruchtbare Weise zusammen lebten. Die Grafschaft Görz und Görz-Stadt (Gorizia) hatte vor allem unter den Habsburgern eine Blütezeit erlebt. Oslavia und Umgebung war Teil des Südens dieser Welt gewesen. Nach dem Krieg wurden sie Teil des Nordens – des italienischen Reiches. Die italienische Sprache wurde Pflicht, wo früher Sprachfreiheit herrschte. – Und dann dauerte es nicht lang bis zum Faschismus und zum 2.Weltkrieg, nach welchem Gorizia geteilt wurde. Jetzt begann hier also der Ostblock. Erst 2004, als Slowenien der EU beigetreten ist, begann wieder ein reger kultureller und wirtschaftlicher Austausch zwischen Slowenien und dem Friaul, das sich wiederum seit den 70-er Jahren angefangen hat wirtschaftlich zu entwickeln. Hier in Oslavia sind (fast) alle zweisprachig. Slowenisch und Italienisch. Mit einer großen Leichtigkeit wird zwischen den Sprachen hin- und her gewechselt. Und “Fiegl” auf slowenisch ist “Figelj”.
(Foto von hier)
Ich weiß nicht, ob die Weinproduzenten von Oslavia wild sind; ich weiß, dass sie zähe, starke Persönlichkeiten sind, denn sie sind die Nachkommen der Menschen, die aus dem gelben Hügel nach und nach wieder etwas gemacht haben, das dem blühenden Garten gleicht, der Oslavia in einer Zeit war, als Gorizia “das Nizza Österreichs” genannt wurde.
Glückwünsche für Ihren Blog, ich danke Ihnen für mein Foto
Gerne! Das Foto ist echt toll.