Auf dem Weg zu Gianpaolo Lenuzza erzählt uns Michele Pavan von der “Mezzadria”, also von der Zeit, in der das Land überall den Gutsherrn gehörte und die Bauern die Hälfte (“metà”) ihres Ertrags abgeben mussten. Erst im letzten Jahrhundert konnten die Bauern ihre eigenen (relativ) kleinen Stückchen Erde hier erwerben und damit auch die Verantwortung für das “Marketing” ihres Betriebes. Das war nicht immer ein einfacher Weg.
Gianpaolo Lenuzza begrüßt uns und öffnet uns das Tor zu seinem Weinkeller/Verkostungsraum.
Unser Blick verklärt sich sofort, denn Gianpaolo hat Käse und Salami für uns vorbereitet. Und was für einen Käse – einen, der in Schioppettino-Schalen reift. Leider nicht käuflich zu erwerben, denn von einem Freund gemacht.
Das Ambiente bei Gianpaolo ist schlicht. Diese Schlichtheit hat auch Gianpaolo. In Form von Klarheit, Direktheit, Ehrlichkeit. Seine blauen Augen strahlen das alles aus, findet ihr nicht? Und außerdem ist da eine große Hingabe und Leidenschaft für seine Arbeit als Weinbauer. Und Schalk.
Woran es auch immer liegen solte, unsere Gespräche explodieren bei Gianpaolo Lenuzza. Alle tauen auf, und besonders Michele Pavan. Er weist uns darauf hin, dass die Persönlichkeit des Weins immer sehr viel mit der Persönlichkeit des Produzenten zu tun habe.
Und – ja, Gianpaolos Schioppettino 2010 hat etwas von seiner bestechenden Ehrlichkeit. Gerade heraus. Er ist “männlicher” als der verkostete Schioppettino von Anna und hat mehr Körper. Ich muss an die Stille des Waldes denken und die reine, etwas schwere Luft nach einem Regen. Rote Waldbeeren. Etwas Erdiges. Säure, die vielleicht noch etwas reifen könnte.
Nun schenkt uns Gianpaolo Lenuzza seinen 2009-er Jahrgang ein. Auch diesen im original Schioppettino-Glas.
Und jetzt bin ich begeistert: Der 2009-er hat die Weichheit, die dem 2010-er noch etwas fehlte. Wieder denke ich an dunklen, stillen Wald, doch diesmal kommt eine balsamische Note dazu, die mich an Fichtenwipfelsirup denken lässt. Der Käse und die Salami passen wunderbar dazu.
Ich wende mich an Matteo und frage ihn, ob er merke, dass unsere Gespräche mit dem Weingenuss mehr Tiefgang bekämen. Er nickt. Inzwischen sind wir nämlich bei der Erkenntnis angelangt, dass die heutigen Politiker zu “nüchtern” seien, da sie während ihrer Sitzungen nicht mehr rauchen oder trinken dürften. Bei den alten Römern sei das anders gewesen. Weingenuss als Inspiration. Naja, da ist was Wahres dran.
Und weiter geht’s….