Jetzt sind wir also beim angemieteten Keller angelangt, der auf einem Hügel von Pradis liegt. Früher war Nikolas im Zentrum von Cormons, schön, aber unpraktisch. Wenn man jetzt das große Tor aufmacht, hat man eine prachtvolle Aussicht.
Cool, Tür auf, Panorama.
„Wir entrappen nicht“, ist das erste, was mir die beiden jetzt erklären. Die Rappen geben floreale Noten.
„Die Trauben werden getreten, mit den nackten Füßen in den roten Erntekisten“…bei diesen Worten muss ich sofort an Stephanie von Gut Oggau denken, die auch den Trauben auf diese sinnliche und ursprüngliche Weise begegnet.
Dann kommen die Trauben sofort in’s Betonfass und die Gärung beginnt, ziemlich schnell, nach ein paar Stunden oder nach zwei Tagen spätestens. „Das Fass kann man oben aufmachen und nochmal reingehen, die Trauben reichen dann bis zur Hüfte, …spüren, treten und riechen, wie weit ist es schon…passt es? fehlt was?…“
DER MENSCH IST EINFACH MIT DABEI.
„Die Füße haben eine Knautschzone… Maschinen haben die nicht..“
Was ist eigentlich maschinell im Keller? Nur eine elektrische Presse. Es gibt also eine Hand-Korbpresse und eine elektrische Presse, die das Doppelte pressen kann.
Im Keller sehe ich noch ein paar Edelstahltanks vom Besitzer des Weinkellers, die fast nie verwendet werden, Betonfässer, und paar gebrauchte Tonneaux und Barrique- Fässer. (Im Keller befinden sich 75 hl Wein.)
“Ein TETRIS Spiel”, sagt Nikolas. Jedes Jahr ist es wieder anders an dem Tag, an dem die reifen Trauben im Keller ankommen. Ein Strategie-Spiel, ein schnelles Durchspielen der Möglichkeiten, ein “Wie nutze ich meine Möglichkeiten am besten?”
Nikolas liebt das Improvisieren.
Lelle und Nikolas brauchen die Spannung.
Eines der Geheimnisse ihrer lebendigen Weine liegt hier. Doch wer kann so kunstvoll improvisieren? Jemand, der seine/ihre Karten kennt, gelernt hat, viel studiert hat, Erfahrungen gemacht hat. Lelle hat eine Winzerausbildung und das Studium in Geisenheim absolviert. Nikolas wollte auch in Udine Önologie studieren, doch viele hatten ihm davon abgeraten. Er wollte die Arbeit im Weinberg studieren, doch in Udine ging es vor allem um die Kellerarbeit. Lelle hat in Geisenheim viele Praxismodule gehabt, in denen es um das Gleichgewicht im Weinberg ging, um Kräuter und Insekten. Auch biodynamische Fragen wurden diskutiert. Nikolas hat dann beschlossen, durch die Arbeit zu lernen, er hat auf diese Weise den Weinbau in vielen Teilen der Welt “studiert”, sogar in Australien.
Die erste Fassprobe ist der Wahnsinn für mich: am Anfang ganz schmeichelnd, fast tropisch. Süße Frucht und das Finale ist SALZIG, man kann es nicht anders sagen, nicht mineralisch, SALZIG. “TOC di Montone”…vor allem Tocai (Friulano), dann Picolit und Malvasia, im gemischten Satz.
Das Salzige kommt vom Boden, vom Muschelkalk (Basaltmuscheln). “Montone”, die Lage auf der schattigen Seite des Monte Quarin, war einmal ein Flussdelta
Hier sehen wir den Unterschied zwischen dem orangen Ponka (Flysch von Cormons) und dem Konglomerat mit Muschelstücken.
Und hier die beiden Weine von Nikolas, links ein “kühlerer” Wein, eben der “Toc di Montone” vom Muschelkalkboden mit 2 Tagen Maischezeit und rechts der “Gran Waldo” vom Ponkaboden mit ca. 10 Tagen Maischezeit (Malvasia Istriana, Ribolla Gialla, Friulano im gemischten Satz). “Waldo” war übrigens der frühere Name von Pradis, als hier alles Wald war und auch noch Deutsch gesprochen wurde.
Habe ich schon erwähnt, dass Nikolas die Etiketten selbst gestaltet !?
In Zukunft wird es einen dritten Lagenwein geben, von der dritten Lage in San Floriano.
Als Nikolas rausgeht, um zu telefonieren, rede ich mit Lelle allein über Rudolf Steiner und die Biodynamie. Wir reden darüber, wie es ist, den ganz eigenen individuellen Weg zu finden, mit Neugier und dem Willen ZU TUN, AUSZUPROBIEREN. Langsam immer mehr zu verstehen, wie BIN ICH, wie IST MEIN BODEN und wie WIRD MEIN WEIN. Lelle und Nikolas sind für mich das beste Beispiel dafür, wie durch diesen Prozess EINZIGARTIGKEIT greifbar/spürbar/sichtbar wird.